Neufundland 2
- Kirsten
- August 9, 2025
- geschichte natur wandern
Greenspond
Die Insel Greenspond liegt im Nordosten von Neufundland, ist 2,85 km² groß, hat rund 260 Einwohner und ist über eine Brücke mit dem Festland verbunden. Wir übernachten auf einem Parkplatz oberhalb der Siedlung – mit einem wunderbaren Ausblick. Am nächsten Morgen laufen wir einmal um die Insel.
Die Strecke führt größtenteils über einen Wanderweg direkt am Wasser entlang. Am Ende geht es hinein ins Dorf, das die Industrialisierung der Fischerei und deren Niedergang schon einmal durchlebt hat. Wir machen hier und da einen Abstecher; zwei Schilder sind besonders spannend: ein handgemaltes Pappschild mit der Aufschrift „Cod for sale“ und ein professionelles Schild für „Ida’s Teahouse“. Nach dem Duschen soll es also erst Fisch und dann Tee geben.
Als wir in die Einfahrt fahren, wo es offenbar Fisch gibt, kommt von der anderen Seite des Weges ein Mann auf uns zu, der direkt einer Seemannsgeschichte entsprungen sein könnte: weißer Rauschebart, Anglerhose, wettergegerbtes Gesicht, schwer verständlicher Akzent – und sehr gute Laune. Er führt uns zunächst zum Bootsanleger und erzählt, dass sie heute einen sehr guten Fang gemacht hätten. Tatsächlich verladen Männer Wannen voller Fische auf einen Pick-up, und zwischen noch mehr Wannen steht ein Mann an einem Tisch, filetiert Fische und vergrößert so den bereits beträchtlichen Haufen mit Filets.
„Wie viel wollt ihr denn?“, lautet die Frage. Als wir ihm unsere Tupperdose zeigen und sagen, dass wir gerne zwei Portionen hätten, grinst er nur und füllt die Dose großzügig mit Fisch. Normalerweise verkauft er wohl deutlich größere Mengen. Geld will er keines – anscheinend werden solche Kleinstmengen einfach nicht berechnet.
Ida’s Place ist ein kleines Café mit einer Terrasse, von der aus man aufs Meer blicken kann. Im Frühsommer ziehen hier Eisberge vorbei, und an manchen Tagen lassen sich sogar Wale sehen. Wir setzen uns an einen Tisch in der Sonne und bestellen Tee und Scones. Der Tee kommt in Kannen, nicht in Tassen – und ist richtig lecker. Mit zwei weiteren Gruppen ist die Terrasse dann auch bald voll.
Die Vierergruppe scheint Stammgäste im Urlaub zu sein. Sie zeigen uns ein Video von einem ihrer Segel- oder Angelausflüge, bei dem Orcas direkt an ihrem Boot entlanggeschwommen sind. Wir genießen unseren Tee in der Sonne und ziehen dann weiter.
Greenspond wirkt auf den ersten Blick etwas unscheinbar – aber es war ein wirklich toller Stopp.
Schwimmende Häuser
Wir hatten einen Platz zum Übernachten und einen Supermarkt gesucht – so sind wir in Arnold’s Cove gelandet. Dort haben wir eine spannende Geschichte entdeckt: Einige der Häuser im Ort wurden ursprünglich gar nicht hier erbaut, sondern stammten aus kleineren Siedlungen entlang der Bucht.
Ab Mitte der 1960er Jahre begann die Umsiedlung von kleinen Settlements in größere sogenannte „Growth Centres“. Arnold’s Cove war eines dieser Zentren, in denen es bessere Bildung, Gesundheitsversorgung, Infrastruktur und Arbeitsplätze in den aufkommenden Fresh-Frozen-Fish-Fabriken geben sollte. Pro Haus wurden damals 1.000 Dollar und pro Person 200 Dollar für die Umsiedlung gezahlt.
Die Häuser wurden im Ganzen auf Flößen über die Bucht gerudert und an ihrem neuen Platz wieder aufgestellt. Es gibt sogar eine App namens „Stories of Resettlement“, in der die damaligen Eigentümer erzählen, wie sie die Umsiedlung erlebt haben.
Wie in jeder Geschichte über Umsiedlung gibt es Menschen, die davon profitiert haben und sich gut neu einleben konnten – und andere, die sich in ihrer neuen Umgebung nie richtig heimisch fühlten. Auf einem Rundgang durch das Dorf findet man viele Häuser mit solch einer Geschichte.
Auch eine Bahnstrecke führte einst bis nach Arnold’s Cove; heute gibt es nur noch ein paar kleine Fischtrawler – und den Supermarkt. Den Grund für den traumhaften Sonnenuntergang, den wir hier erleben, werden wir später noch herausfinden.
Change Cove
Manchmal lohnt es sich, einen Blick in die Touristenbroschüren zu werfen und den Empfehlungen zu folgen – auch wenn wir zunächst alles mühsam aus dem Französischen übersetzen mussten. Ohne den Tipp im Reiseführer wären wir wahrscheinlich nie hierhergekommen. Der Wanderweg führt an mehreren Buchten entlang, und zum Glück haben wir unsere Ferngläser eingepackt.
Schon vom ersten Aussichtspunkt aus entdecken wir nicht nur unzählige Möwen, sondern auch zwei Seeadler. Zuerst sitzen sie träge auf den Felsen, dann schwingen sie sich majestätisch in die Luft.
Kurz bevor wir weiterwollen, sichtet Simon noch einen Wal. „Das Meer atmet!?“ Aus einem werden bald drei, die anscheinend in der Bucht jagen. Man sieht nie viel mehr als die Rückenflossen und hin und wieder einen Luftstoß. Vermutlich sind es Minkwale. Eine Stunde später, als sie abziehen, machen wir uns ebenfalls weiter auf den Weg.
Nur ein paar hundert Meter weiter belohnen uns türkisblau leuchtende Buchten und schroffe Felsen im Meer. Dann entdecken wir auch die Ursache für die spektakulären Sonnenuntergänge der letzten Tage: In der Ferne erhebt sich auf der gegenüberliegenden Avalon Peninsula die gewaltige Rauchsäule des Kingston Wildfires.
Chance Cove gehört für mich eindeutig auf die Liste der Orte, die man in Neufundland unbedingt besuchen sollte. Und wer herkommt, sollte auf jeden Fall ein Fernglas dabeihaben – man weiß nie, was als Nächstes vorbei schwimmt oder fliegt.
Twillingate
Wir spielen mal wieder Leuchtturm-Quartett – diesmal in Twillingate. Wir wandern den Horney Head Cove Trail zum Leuchtturm in Devil’s Cove. Dieser Trail ist definitiv zum Wandern, nicht zum Laufen geeignet. An einigen Stellen geht es sehr steil rauf und runter. Man wandert wunderschön an der Küste entlang, nah am Abgrund und immer mit Sicht auf den rot-weißen Leuchtturm. Auf dem Rückweg kommen wir an einem aufgegebenen Campingplatz vorbei, der aber von Campern wild wieder bevölkert wurde. Ein schöner Abstecher.